ADOBE ATTACKIERT PRINT
UNFASSBAR!
Klaus-Peter Nicolay

22.02.2024 ► »Das Jahr ist noch keine zwei Monate alt und doch haben viele ihre Neujahrsvorsätze schon wieder über Bord geworfen«, beginnt eine InfoMail, in der Adobe unter dem Titel »Papier adé: Den Druck rausnehmen.« dazu auffordert, »das ganze Jahr über das Augenmerk auf papierreduziertes Verhalten zu legen.« Go Paperless – privat als auch im Job.

Richtig Freude kommt auf, wenn man weiter liest: »Wir können beeindruckende Resultate erzielen, indem wir bewusst den einen oder anderen Druckauftrag nicht erteilen. Durch die Reduktion können wir denkbar einfach Ressourcen sparen und unseren CO2-Fußabdruck merklich verringern.«
Diese Arroganz ist ja wohl der Super-GAU für eine Geschäftsbeziehung. Entweder hat Adobe den Blick für die Realität verloren oder die Leute in der Adobe-Presseabteilung sind verrückt geworden – mit Sicherheit sind sie aber zu jung, um zu wissen, dass ihr Brötchengeber mit dem Drucken und der Druckindustrie erst groß geworden ist! 

Noch heute produziert jeder Belichter, jedes CtP-System mit einem PostScript-RIP oder einer PDF-Engine. In jedem Druckereibetrieb wird mit Acrobat gearbeitet, fast alle Betriebe nutzen InDesign, Photoshop, Illustrator und vor allem Schriften, an denen sich Adobe in der Vergangenheit eine goldene Nase verdient hat und erst vor Jahresfrist mit dem Aufkündigen des Supports der Type-1-Schriften für Frust, Ärger und Kosten bei den Anwendern gesorgt hat, weil hunderte von Schriften, deren Lizenz man vor zig Jahren teuer gekauft wurden, über Nacht nicht mehr einsetzbar und damit quasi Schrott sind.

Und jetzt attackiert Adobe diese Kunden, die treuesten Kunden, die das Unternehmen hat und will sie in den Ruin treiben, indem dazu aufgefordert wird, keine Druckaufträge mehr zu erteilen. Noch dazu mit einem vorgeschobenem Nachhaltigkeits-Getue und Argumenten, die sich auf Papier, dessen Verbrauch und Herstellung beziehen und falscher nicht sein könnten. Da muss man sich erst einmal die Augen reiben. Vielleicht ist Adobe ja tatsächlich so arrogant und glaubt, dass man sich solche Kapriolen leisten kann, weil die Druckereien ja ohnehin von ihrer Software abhängig sind?

Sofort alle Abos kündigen!

Was bleibt also zu tun, wenn einem der Geschäftspartner die Freundschaft kündigt? Sicherlich nicht kuschen, wie es all die Jahre war, sondern reagieren. Und zwar heftig.
Zuerst sollten wir auf der Stelle alle Abonnements für die Creative-Suite kündigen und uns für weniger Geld die neue Version von Quark XPress kaufen. Eine unbefristete Lizenz kostet da zurzeit 524,00 Euro und qualitativ steht das Programm dem Platzhirsch InDesign für grafische Anwendungen in nichts nach. Das Erzeugen von PDFs ist sauber und unkompliziert – und die Type-1-Schriften können auch wieder genutzt werden!
Als Alternative bietet sich auch die Affinity-Suite vom Hersteller Serif an, die aus drei Produkten besteht: einem Layoutprogramm namens Publisher, einer Bildbearbeitung mit dem passenden Namen Photo und einem Illustrationsprogramm, Designer genannt. Paketkosten zurzeit 199,99 Euro. Es gibt noch weitere Alternativen wie den Viva Designer oder Marktstein Publisher. Doch diese Auswahl sollte erst einmal genügen.
Auch für Acrobat gibt es einige starke Alternativen wie den Foxit PDF Reader, den PDF-XChange Editor oder den Icecream Editor. Die Programme sind allesamt kostenlos. Ab 125,00 $ gibt es aber auch professionelle Versionen wie Soda PDF Pro, Kofax Power PDF, Nitro Pro oder den Foxit Phantom PDF.
Das Arbeiten mit den Programmen erfordert vielleicht etwas Schulungsaufwand, aber der eine oder andere ältere Mitarbeiter wird sich zum Beispiel mit Quark XPress noch auskennen. Mit dieser alternativen Konfiguration spart jeder Betrieb aber einige Tausend Euro ein. Und ist vor allem sicher, dass man ohne Befürchtungen auch noch arbeiten kann, wenn die Cloud mal nicht funktioniert oder sich Adobe wieder irgendeine Gemeinheit ausgedacht hat.

Das Feedback von Adobe: Es war nicht so gemeint

Was Adobe da betreibt, ist Schwarz-Weiß-Malerei, um nicht zu sagen Green-Washing in Reinstform. Print schlecht – Digital gut. So einfach kann man es sich nicht machen. Auch nicht Adobe!
Als Global Player sollte Adobe schon über die Ressourcen verfügen, auch die CO2-Belastung der digitalen Kommunikation in eine solche Betrachtung mit einfließen zu lassen.
Adobe har es nicht getan. Dafür sind wir in einem Beitrag in den Druckmarkt impressions 143 intensiv auf die Fakten rund um Druck und Papier eingegangen.

Wir haben natürlich Kontakt mit Adobe aufgenommen. Dabei wurde uns versichert, dass die betreffende InfoMail nicht als Angriff auf »Print« zu verstehen sei. Die Interpretation »Print schlecht – Digital gut« entspreche nicht der Perspektive von Adobe. Selbstverständlich hätten Printmedien weiterhin ihre Berechtigung. Adobe ginge es um die Digitalisierung im Büroalltag. Hier würden viele Druckaufträge sorglos erteilt, die eher Gewohnheit als einer äußeren Notwendigkeit geschuldet seien. Im Fokus stehe die Effizienzsteigerung und damit einhergehende Kosteneinsparungen. Als Beispiel wurden Hotelrechnungen oder Kostenvoranschläge genannt.
Ja sind denn auf Geschäftspapier gedruckte Rechnungen etwa keine Druckprodukte? 2019 betrug der Umsatz mit Geschäftsdrucksachen in Deutschland immerhin 1.153 Mio. Euro. Das sind Milliarden gedruckter Briefbögen in Hotels, beim Handwerk und in der Industrie, die Adobe wegrationalisieren will.
In unserer Korrespondenz ist Adobe aber mit keinem Wort auf die rufschädigenden Zahlen eingegangen, die jetzt in zig Redaktionen vorliegen und garantiert in dem einen oder andere Artikel verwendet werden. Das darf so nicht stehen bleiben.

Die Print-Community würde sich von Adobe eine genauso breit angelegte Kommunikation wünschen, in der die positiven Aspekte von Print in der Medien- und Kommunikationslandschaft dargestellt wird. Und in der ehrlich damit umgegangen wird, wie viel CO2-Emissionen versendete PDFs verursachen. Über die Nützlichkeit oder Sinnhaftigkeit von Drucksachen und ob gedruckte Botschaften noch zeitgemäß sind, können wir gerne bei anderer Gelegenheit diskutieren.


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