Was wird denn heute noch gedruckt?


15.01.2024 ► Ich kann mich noch gut daran erinnern, an meine Studentenzeit Ende der 1970er-Jahre in Wuppertal. Druckereitechnik haben wir studiert und wie bei Studenten üblich, haben wir gelegentlich auch Kneipen aufgesucht. »Und, was macht Ihr so?«, fragte mich und meine Kommilitonen ein Wirt. »Wir studieren Druckereitechnik«, antworteten wir stolz. »Drucktechnik?«, so der Wirt und verzog sein Gesicht. »Was wird denn heute noch gedruckt?« Natürlich waren wir entsetzt und zählten alles auf, was uns so an Drucksachen einfiel vom Aufkleber bis zur Zeitung. Er staunte.


Genau vor dem gleichen Problem stehen wir auch heute noch. Rund 50 Jahre später. Von uns Fachleuten innerhalb der Druckindustrie einmal abgesehen, scheint niemand mehr zu wissen, dass und was heute noch gedruckt wird. Ja, digital kennt man, aber Drucksachen? »Ach ja, das sind die lästigen Flyer, die den Briefkasten verstopfen«, meinen einige. Und andere wollen wissen, dass wegen des vielen Papiers Bäume sterben müssen.


Wie vor 50 Jahren geht (nicht nur) mir der Hut hoch, wenn ich so etwas höre. Aber "Volkes Meinung" muss ja irgendwo herkommen. Dazu muss man nicht lange suchen. Alle an der Wertschöpfungskette Print Beteiligten – und damit sind die Papierhersteller, die Zeitungsverleger, die Werbeagenturen, die Drucker und vor allem die verschiedenen Branchenverbände gemeint – haben es über die Jahrzehnte versäumt, Print in der Öffentlichkeit als wertvollen Kulturschatz und notwendige (sogar systemrelevante) Technologie zu präsentieren.


Zudem ist die Branche gegen Aktionen, bei denen das Drucken per se als schlecht und als Ressoucen verschingendes Monster dargestellt wird (wie im zurückliegenden Jahr zum Beispiel von Rewe), sind die Druckindustrie und ihr „Spitzenverband“, der in Berlin die Lobbyarbeit für Print macht, machtlos. Da wird etwas von einem Konzern mit enormer Werbepower in die Welt gesetzt – und die Druckindustrie ist wehrlos. Natürlich wurden Unmengen an Argumenten in der Fachpresse aufgefahren, die die Behauptungen der Rewe-Kampagne zerlegten, aber es sind nun einmal die gleichen vielen Millionen Verbraucher, die die Rewe-Botschaft hörten, die den Druckmarkt und andere Fachtitel lesen. Was genauso frustriert: Es wird immer nur reagiert, aber kaum aktiv argumentiert.


Da ist es geradezu eine Wohltat, wenn ein Museum in den Niederlanden zeigt, was Print heute ist und kann (siehe Druckmarkt impressions 142). Es wird bewiesen, dass Print durchaus mehrdimensional sein kann, dass Print bisher nicht Erkanntes sichtbar und fühlbar macht. Und dass Print mehr ist als die gedruckte Zeitung, die aus dem Briefkasten kommt.
Print kann also sehr viel mehr, als es der breiten Bevölkerung bewusst ist. Es muss aber nach außen getragen werden. Es muss bewusst gemacht werden. Zeitungs- und Zeitschriftenverleger hätten diese Möglichkeit in ihren Publikationen mit Artikeln oder Anzeigen. Aber sie tun es nicht. Sie feiern lieber ihre Digital-Abos.


 

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